Der Gasanbieter ENSTROGA AG (vormals: STROGON GmbH) wollte einen Kunden (unseren Mandanten) loswerden, der sich willkürliche Preiserhöhungen trotz 12-monatiger Preisgarantie nicht gefallen lassen wollte. ENSTROGA reagierte auf die Beschwerde des Kunden mit einer "Kündigungsbestätigung". Dass der Kunde den alten Gaspreis weiterbezahlen wollte, wertete ENSTROGA folglich als Kündigung, um sich des Kunden zu entledigen und diesen in die Grundversorgung rutschen zu lassen. Dem schob jedoch das Amtsgericht Königs Wusterhausen einen Riegel vor und erließ eine einstweilige Verfügung, die ENSTROGA zur Weiterbelieferung mit Erdgas verpflichtete.
I. Zur vertraglichen Situation
Im Juli 2021 schloss der Mandant mit dem Gasanbieter ENSTROGA (damals noch STROGON) online einen Erdgasbelieferungsvertrag ab. Vorgesehen waren ein Arbeitspreis von 4,37 ct/kWh brutto sowie ein Grundpreis von 23,23 € brutto pro Monat. Der Vertrag sah zudem eine „eingeschränkte Preisgarantie“ von 12 Monaten vor. Zur Konkretisierung, was unter einer „eingeschränkten Preisgarantie“ zu verstehen ist, heißt es unter 12.1 der von ENSTROGA gestellten AGB (Hervorhebung nur hier):
„Bei Gaslieferverträgen mit eingeschränkter Preisgarantie sind Preisänderungen im ers-ten Jahr dann nicht ausgeschlossen, wenn Preisbestandteile betroffen sind, die hoheitlich reguliert bzw. staatlich veranlasst sind. Das bedeutet also, dass Änderungen von gesetzlichen Abgaben, der Stromsteuer und Umlagen (insb. Abgaben nach der Konzessionsabga-benverordnung), hoheitliche Belastungen (Umlage aufgrund § 29 der GasnetzzugangsVO, Marktraumumstellungsumlage) jederzeit unterjährig an Sie weitergegeben werden können.“
II. Vorgeschichte des Streits
ENSTROGA wollte im Zuge der gestiegenen Kosten für Erdgas von der mit ihm und dem Kunden vereinbarten 12-monatigen Preisgarantie plötzlich nichts mehr wissen. ENSTROGA erhöhte den monatlichen Zahlbetrag ohne Einverständnis des Kunden, sodass der neue Zahlbetrag nun mehr als 200 % des ursprünglichen Zahlbetrags betragen sollte. Als sich der Kunde hiergegen wehrte und auf die Preisgarantie hinwies, wurde dieser Kunde für ENSTROGA wohl zu lästig. Als Antwort erhielt der Kunde nun nämlich lediglich eine Kündigungsbestätigung von ENSTROGA und die Ankündigung, dass der Kunde nun in die wesentlich teurere Grundversorgung für Erdgas beim Anbieter EWE rutschen sollte. Dies wollte der Kunde nicht auf sich sitzen lassen und beantragte beim Amtsgericht Königs Wusterhausen eine einstweilige Verfügung, um ENSTROGA zu verpflichten, ihn weiter mit Erdgas zu beliefern. Dem kann das Gericht auch nach und verpflichtete ENSTROGA strafbewehrt zur Weiterbelieferung des Kunden mit Erdgas.
Bereits im Oktober 2021 versandte ENSTROGA an den Mandanten eine E-Mail, mit der ENSTROGA die Erhöhung der monatlichen Zahlbeträge vom 98,00 € brutto auf 223,00 € brutto ankün-digte. Als Begründung hierfür nannte ENSTROGA die „extrem gestiegenen Beschaffungspreise“ und die „Prognosen für die kommenden Wintermonate“. Im weiteren Verlauf der E-Mail räumte ENSTROGA ein, dass sie aufgrund der gestiegenen Beschaffungspreise – wohlgemerkt die Netto-Rohstoffpreise – die Mehrkosten auf die Kunden abwälzen will. Zum Ende der E-Mail listet ENSTROGA beispielhaft die Einkaufspreise für Strom und Gas auf.
Der Mandant widersprach der Preiserhöhung und verwies auf die bestehende 12-monatige Preisgarantie. Mit einer weiteren E-Mail übersandte ENSTROGA dem Mandanten eine E-Mail, die inhaltlich im Wesentlichen der vorigen E-Mail glich. Allerdings stellte ENSTROGA hierin nun klar, dass sie den Arbeitspreis von 4,37 ct/kWh einseitig auf 16,4 ct/kWh erhöhen werde. Zudem wies ENSTROGA auf ein Sonderkündigungsrecht des Mandanten hin. Auf die E-Mail des Mandanten, mit der dieser auf die Preisgarantie hinwies, ging ENSTROGA jedoch nicht ein.
Nachdem der Mandant mit einer weiteren E-Mail erneut widersprach und erneut auf Weiterbelieferung mit Erdgas zu den bisherigen Konditionen bestand, folgte prompt eine unerwartete Reaktion seitens ENSTROGA. Der Gasanbieter bestätigte dem Mandanten nun nämlich plötzlich eine angeblich eingereichte Kündigung und teilte diesem mit, dass er künftig vom Grundversorger EWE weiterbeliefert werden würde. Jegliche weitere Kontaktversuche des Mandanten diesbezüglich ignorierte ENSTROGA. Der Gasanbieter war folglich entschlossen, die fingierte Kündigung auch tatsächlich zu realisieren.
III. Gerichtliches Verfahren
Rechtsanwalt Robert Proto erwirkte vor dem Amtsgericht Königs Wusterhausen eine einstweilige Verfügung gegen ENSTROGA. ENSTROGA wurde verpflichtet, das Haus des Mandanten über den vermeintlichen Kündigungszeitpunkt hinaus mit Gas zu versorgen. Für einen Verstoß gegen dieses Gebot wurde vom Gericht die Feststzung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 Euro bzw. Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.
Zur Überzeugung des Gerichts stand fest, dass der Mandant zu keinem Zeitpunkt gekündigt hatte.
Jedenfalls hat aber auch ENSTROGA nicht gekündigt gehabt. Es hätte schon an einem Kündigungsrecht gefehlt. Es lag kein sogenannter "wichtiger Grund" im Sinne von § 314 BGB vor. Die wirtschaftlichen Erwägungen von ENSTROGA konnten hierbei keine Rolle spielen. Ein wichtiger Grund müsste in der Person des Antragstellers zu sehen sein. Gestiegene Rohstoffpreise und ungünstige Winterprognosen hatte der Mandant jedoch nicht zu vertreten.
Es lag aber auch keine Störung bzw. kein Wegfall der Geschäftsgrundlaghe nach § 313 BGB vor. ENSTROGA kann sich nicht auf gestiegene Beschaffungspreise für den Rohstoff Erdgas berufen. Denn aus der 12-monatigen Preisgarantie und 12.1 der AGB wird deutlich, dass ENSTROGA allenfalls dann schützenswert sein soll, wenn aufgrund staatlicher Regulierungen der Erdgaspreis verteuert wird. Allerdings liegt ein solcher Fall hier nicht vor, da der Rohstoffpreis an sich gestiegen ist. Ausweislich der eingeschränkten Preisgarantie soll dies explizit ins unternehmerische Risiko des Gasversorgers fallen. Anderenfalls wäre eine Preisgarantie gänzlich entwertet und der Gasversorger könnte stets die Störung der Geschäftsgrundlage einwenden. Selbst wenn die Geschäftsgrundlage tatsächlich gestört wäre, so hätte ENSTROGA vorrangig eine Vertragsanpassung durchsetzen müssen, notfalls auf gerichtlichem Wege.
Die Entscheidung ist zudem aus zwei weiteren Gründen bemerkenswert: Einerseits lässt das Amtsgericht Königs Wusterhausen hier einen Fall der einstweiligen Leistungsverfügung zu. Leistungsverfügungen sind wegen der drohenden Vorwegnahme der Hauptsache in aller Regel nicht zulässig. Im hiesigen Fall jedoch schon, da das Verwehren des Gasbelieferungsanspruchs im Wege der einstweiligen Verfügung aufgrund der relativ kurzen Zeitspanne bis zum vermeintlichen Vertragsende anderenfalls zur Rechtsvereitelung geführt hätte.
Bemerkenswert ist die Entscheidung auch dahingegend, dass - gemäß dem Antrag der Kanzlei PROTO LEGAL - Ordnungsmittel anstatt Zwangsmittel angedroht wurden. Die Durchsetzung aktiver (nichtvertretbarer) Handlungen wird für gewöhnlich durch die wesentlich umständlicher durchzusetzenden Zwangsmittel vollstreckt. Mit Ordnungsmitteln wird normalerweise ein Unterlassen vollstreckt. Doch hier folgte das Gericht der Argumentation der Kanzlei PROTO LEGAL, dass die Durchsetzung von Dauerbelieferungsverpflichtungen (wie im Falle der Gasbelieferung) nur durch Ordnungsmittel zu vollstrecken ist.
Amtsgericht Königs Wusterhausen, Beschluss vom 09.11.2021 - 4 C 2805/21.